Koordinationsbüro für das Transplantationswesen
ÖBIG-Transplant
JAHRESBERICHT 2003

Auszug aus dem Jahresbericht 2003
Seite 21 bis 26

1.) Organisatorische Strukturen und Rahmenbedingungen im Bereich der Organtransplantation

Die Sicherung einer ausreichenden und zeitgerechten Verfügbarkeit von Spenderorganen ist die zentrale Herausforderung im Transplantationswesen. Dabei sind mehrere Organisationseinheiten mit Aufgaben betraut, wobei nur ein optimales Zusammenspiel dieser Strukturen eine bestmögliche Versorgung der Patienten auf den Organwartelisten gewährleistet.

1.1 Rechtliche Rahmenbedingungen

Innerhalb Österreichs kann laut geltender gesetzlicher Regelung (§ 62a KAKuG) eine Organentnahme bei einem potenziellen Spender erfolgen, solange dieser einer allfälligen Organentnahme nicht schon zu Lebzeiten widersprochen hat (Widerspruchslösung). Sämtliche Krankenanstalten sind verpflichtet, vor der Entnahme eines Organs oder Organteiles (inklusive Gewebe) das Vorliegen eines Widerspruches im Widerspruchregister zu prüfen. Diese Abfragen werden durch ÖBIG-Transplant dokumentiert (vgl. Kapitel 1.3).
Das Gesetz regelt weiters die gebotene Todesfeststellung durch einen zur selbstständigen Berufsausübung berechtigten Arzt, der weder an der Organentnahme selbst noch an der anschließenden Organtransplantation beteiligt sein darf. Die Feststellung des Todes hat nach den anerkannten Methoden der medizinischen Wissenschaft gemäß dem jeweiligen Stand der medizinischen Erkenntnisse zu erfolgen. Außerdem gilt bezüglich der gespendeten Organe das sogenannte „Gewinnerzielungsverbot“. Demnach dürfen Organe und Organteile nicht Gegenstand von Rechtsgeschäften sein, die auf Gewinn ausgerichtet sind.
Vom Transplantationsbeirat empfohlenen Maßnahmen zur Förderung der Organspende sind in die zwischen dem Bund und den Ländern fixierte Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Neustrukturierung des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung eingegangen, welche für die Jahre 2001 bis 2004 Geltung hat (vgl. Kapitel 3.1).
Darüber hinaus wurde vom Europarat im Juni 2002 ein „Guide to safety and quality assurance for organs, tissues and cells“ veröffentlicht, der ausgehend vom Anliegen, ein möglichst hohes Niveau an Sicherheit und Würde für Spender und Empfänger von Organen, Geweben und Zellen zu etablieren, ebenfalls Standards für die Beschaffung, Aufbewahrung, Verarbeitung und Weiterleitung definiert. Die Bestimmungen wurden in Rahmen eines zusätzlichen Protokolls zum „Europäischen Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin“ rechtswirksam.
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1.2 Institutionen und deren Aufgaben

Die im Rahmen des österreichischen Transplantationswesens anfallenden Aufgaben werden von verschiedenen miteinander kooperierenden Institutionen wahrgenommen. Die nachstehenden Leistungsbeschreibungen dieser Institutionen sind als modellhaft zu verstehen.
Die Spenderkrankenanstalten pflegen den potenziellen Organspender und führen alle notwendigen Untersuchungen im Vorfeld einer allfälligen Organspende durch. Nach der Todesfeststellung (in manchen Fällen wird ein mobiles Hirntoddiagnostik-Team oder ein Konsiliar- Neurologe zugezogen) wird der Organspender an das jeweils zuständige Koordinationszentrum gemeldet. Dieses ist meist im zuständigen Transplantationszentrum angesiedelt. Seitens des Koordinationszentrums wird die Koordination der Organspende übernommen. Die Koordination umfasst sämtliche organisatorischen Belange im Rahmen einer Organspende bis hin zur Explantation und zum Transport der Organe in die einzelnen Empfänger- Zentren. Der zuständige Transplantationskoordinator begibt sich zur Organisation der Organspende oftmals in die jeweilige Spenderkrankenanstalt und meldet den Organspender an die „Eurotransplant International Foundation“ (kurz ET - Mitgliedsstaaten sind Belgien, Deutschland, Niederlande, Luxemburg, Slowenien und Österreich) mit Sitz in Leiden. Dort wird anhand von - innerhalb der Mitgliedsstaaten - akkordierten Kriterien mit Hilfe eines Computerprogramms die Allokation der Spenderorgane vorgenommen, also die Zuteilung an den bzw. die geeigneten Empfänger. Die ebenfalls von Eurotransplant geführten Organwartelisten der einzelnen Mitgliedsländer sind Voraussetzung für eine effiziente Allokation. Nach erfolgter Allokationsentscheidung erfolgt die Einberufung der Empfänger und die Transplantation selbst durch das jeweilige Transplantationszentrum. In Österreich werden in vier Transplantationszentren Organe transplantiert (vgl. Kapitel 2.1).
In den drei Universitätskliniken Wien, Innsbruck und Graz werden die quantitativ bedeutsamsten Organe Niere, Leber und Herz transplantiert. Lungenorgane werden in Wien und Innsbruck sowie im Berichtsjahr auch in Graz (eine Herz-Lungen-Tranplantation) transplantiert. Der Schwerpunkt für Pankreastransplantationen liegt in Innsbruck. Das Transplantationszentrum in Linz (AKH Linz und KH der Elisabethinen Linz) bietet ausschließlich Nierentransplantationen an.
ÖBIG-Transplant übernimmt (neben den allgemeinen Aufgaben und dem jährlichen Arbeitsprogramm) den statistisch-administrativen Part im Rahmen einer Organspende und dokumentiert das österreichische Transplantationsgeschehen. Die seitens der Koordinationszentren quartalsweise zu übermittelnden Spenderprotokolle (Protokolle, die im Zuge der Koordination einer Organspende ausgefüllt werden) bilden die Grundlage der von ÖBIGTransplant durchgeführten Abrechnung der einzelnen Leistungen im Rahmen der Förderung der Organspende. Daneben bilden die Spenderprotokolle die Basis der Dokumentation der durchgeführten Leistungen (z. B. Hirntoddiagnostik).
Austrotransplant (Österreichische Gesellschaft für Transplantation, Transfusion und Genetik) ist eine wissenschaftliche Gesellschaft, die sich gemeinnützig mit der Forschung im Bereich der Transplantation beschäftigt. Die Zusammenarbeit mit ÖBIG-Transplant ist eng, zumal Austrotransplant sechs Mitglieder des Transplantationsbeirates nominiert.
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1.3 Führung des Widerspruchregisters gegen Organspende

In den letzten Jahren wurden in allen europäischen Staaten gesetzliche Regelungen für die Organspende geschaffen (vgl. Tabelle 1.1). Dabei hat sich in den meisten EU-Staaten die Widerspruchsregelung durchgesetzt, die auf eine grundsätzliche Empfehlung des Europarates aus dem Jahr 1978 zurückgeht. Nach dieser Regelung gilt ein Patient, bei dem der Hirntod festgestellt wird, als potenzieller Spender, wenn er sich zu Lebzeiten nicht ausdrücklich gegen eine Organspende ausgesprochen hat. Die Handhabung ist allerdings in den europäischen Staaten sehr unterschiedlich und hängt insbesondere von der Existenz eines zentralen Widerspruchregisters ab. Häufig herrscht die sogenannte „erweiterte Widerspruchslösung“ vor, wonach Angehörige in Entscheidungsprozesse eingebunden werden, indem sie im Sinne des Verstorbenen einer Explantation widersprechen können.
Die Zustimmungsregelung schreibt eine ausdrückliche Einwilligung zu einer Organentnahme vor. Häufig wird eine „erweiterte Zustimmungslösung“ angewandt, bei der die Angehörigen ihre Zustimmung zu einer Organentnahme geben können, wenn sie glauben, damit im Sinne des Verstorbenen zu handeln. Ohne Einwilligung ist eine Organentnahme unzulässig.
Bei Informationslösungen ist der Eingriff dann zulässig, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten eingewilligt hat. Liegt keine Erklärung vor, ist die Explantation möglich, wenn ein Arzt die nächsten Angehörigen über die geplante Entnahme informiert und diese innerhalb einer „angemessenen Frist“ nicht widersprochen haben.
In Österreich ist die Widerspruchsregelung in der gesetzlichen Grundlage zur Entnahme von Organen Verstorbener zum Zwecke der Transplantation in § 62 a), b) und c) KAKuG verankert. Prinzipiell bestehen mehrere Möglichkeiten der Dokumentation eines Widerspruches (z. B. mitgeführtes Schreiben). Hohe Wirksamkeit erlangt die Dokumentation eines Widerspruches durch eine Eintragung in das „Widerspruchregister gegen Organspende“, da sich die Transplantationszentren vor einer allfälligen Organentnahme zur Abfrage im Widerspruchregister verpflichtet haben. Dies gilt nicht nur für Organe im eigentlichen Sinne (sogenannte „solide Organe“), sondern auch für Organteile und Gewebe.
Das „Widerspruchregister gegen Organspende“ wurde in Österreich mit 1. Jänner 1995 in Betrieb genommen. Die Führung des Widerspruchregisters wird von ÖBIG-Transplant (Administration und Registrierung) und von der dem ÖBIG angeschlossenen Vergiftungsinformationszentrale (Abfrageabwicklung) wahrgenommen. Dabei werden laufend folgende Dienstleistungen erbracht:
• Beratung von Personen, die in das Widerspruchregister aufgenommen werden wollen
• Entgegennahme der Daten potenziell Widersprechender und Versand der Eintragungsunterlagen
• Eintrag der einlangenden Widerspruchsformulare in das EDV-gestützte Register
• Versand von Eintragungsbestätigungen
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• Abwicklung der von befugten Krankenanstalten beim Widerspruchregister vorgenommenen Abfragen (rund um die Uhr)
• Vergabe bzw. Abänderung von Kennworten für die Abfrage beim Widerspruchregister

Tabelle 1.1: Bestimmungen zur Organspende in der Europäischen Union
und den zukünftigen Beitrittsstaaten (Stand 2003)

Land Gesetzgebung in Bezug auf den Spender
Belgien Widerspruchsregelung
Estland Widerspruchsregelung
Finnland Widerspruchsregelung
Frankreich Widerspruchsregelung
Italien Widerspruchsregelung
Lettland Widerspruchsregelung
Litauen Widerspruchsregelung
Luxemburg Widerspruchsregelung
Österreich Widerspruchsregelung
Polen Widerspruchsregelung
Portugal Widerspruchsregelung
Schweden Widerspruchsregelung
Slowakei Widerspruchsregelung
Slowenien Widerspruchsregelung
Spanien Widerspruchsregelung
Tschechische Republik Widerspruchsregelung
Ungarn Widerspruchsregelung
Dänemark Zustimmungsregelung
Deutschland Zustimmungsregelung
Griechenland Zustimmungsregelung
Großbritannien Zustimmungsregelung
Irland Zustimmungsregelung
Malta Zustimmungsregelung
Niederlande Zustimmungsregelung
Zypern Informationslösung
Quelle: ÖBIG-Transplant 2003
(Nennung gemäß Gesetzgebung und in alphabetischer Reihenfolge)

Über die geschilderten Routinearbeiten hinaus erbringt das ÖBIG laufend Dienstleistungen wie etwa die Erteilung von Auskünften sowie den Versand von Informationsmaterialien über die rechtliche Situation der Organspende in Österreich im Allgemeinen und das Widerspruchregister im Speziellen, die Bereitstellung von Informationen für mit dem Thema befasste Institutionen sowie die Erledigung von Anfragen der Presse.
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Weitere Aufgaben bezüglich des Widerspruchregisters bestehen in der Wartung der Widerspruchsdatenbank sowie in der Evaluierung des Abfrageverhaltens der Krankenanstalten. Im November 2000 wurde die "Abfragenummer zum Widerspruchregister gegen Organspende" in einem Versuchslauf eingeführt und wird seit 1. Jänner 2001 routinemäßig für jede Abfrage vergeben. Diese Abfragenummer findet in der spenderbezogenen Dokumentation Verwendung und erlaubt die punktgenaue Überprüfung des Abfrageverhaltens seitens der entnehmenden Stellen. Weiters dient sie der entnehmenden Stelle als Beweis für die erfolgte Abfrage für den Fall einer Nachfrage, ob das Vorliegen eines Widerspruches überprüft wurde.
Auswertungen hinsichtlich der registrierten Personen
Im Jahr 2003 ließen sich 1.497 Personen in das Widerspruchregister aufnehmen, womit sich der Gesamtstand nach neunjährigem Bestehen des Registers mit Stichtag 31. Dezember 2003 auf insgesamt 9.025 Eintragungen beläuft. Sieben Personen haben sich im Berichtsjahr aus dem Widerspruchregister wieder streichen lassen.
Von den Ende 2003 insgesamt 9.025 registrierten Personen in Widerspruchregister wiesen 8.504 einen Wohnsitz in Österreich auf, was einer Eintragungsrate von knapp 0,11 Prozent der österreichischen Wohnbevölkerung entspricht (Basis: 8 Mio. Einwohner). Die regionale Verteilung der Widerspruchsmeldungen wird anhand nachstehender Abbildung ersichtlich:

Abbildung 1.1: Registrierte Personen im Widerspruchregister pro Million Einwohner nach Bundesländern, 31.12.2003

Registrierungen nach Bundesländer
Quelle: ÖBIG-Transplant 2003

Von den 521 Personen mit Wohnsitz im Ausland stammen 438 aus Deutschland, sechs aus Lichtenstein, 30 aus den Niederlanden, 25 aus der Schweiz, je neun aus Frankreich und Spanien, drei aus Italien sowie eine aus Südafrika. Die geschlechtsspezifische Verteilung der Registrierten ist mit 54 Prozent Frauen und 46 Prozent Männern nicht ganz ausgewogen.
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Hinsichtlich der Altersstruktur zeigt sich, dass Kinder und Jugendliche (= 18 Jahre) mit knapp 21 Prozent die größte Gruppe im Widerspruchregister darstellen, gefolgt von den 40- bis 49- Jährigen (rund 19 Prozent), den ab 60-Jährigen (rund 18 Prozent) sowie den 30- bis 39- Jährigen (rund 17 Prozent). Die geringsten Meldungen weisen die Altersgruppen der 50- bis 59-Jährigen (13 Prozent) und der 19- bis 29-Jährigen (11 Prozent) auf.
Abfragen im Widerspruchregister (2003)
Insgesamt wurde das Register im Berichtsjahr 886-mal konsultiert (davon waren 22 Abfragen doppelt), wobei in rund 25 Prozent der Fälle eine mögliche Organspende der Grund für eine Abfrage war, bei den restlichen knapp 75 Prozent handelte es sich um Recherchen vor einer beabsichtigten Gewebeentnahme zu Transplantationszwecken. Die seit dem Jahr 2001 vermerkte Steigerung der Abfrageaktivitäten gegenüber den Vorperioden ist vor allem auf vermehrte Abfragen im Vorfeld der Entnahme von Gewebepräparaten zurückzuführen. In diesem Bereich konnte im Zuge der Einführung der Abfragenummer das Bewusstsein darüber geschärft werden, dass auch hier in jedem Fall eine Abfrage im Widerspruchregister durchzuführen ist. Seit Bestehen des Registers wurde insgesamt bei fünf potenziellen Organspendern von einer Organentnahme abgesehen, da eine Eintragung im Widerspruchregister vorgelegen ist.

Abbildung 1.2: Widerspruchregister gegen Organspende
Jährliche Eintragungen und Anfragen 1995 - 2003

Eintragungen und Abfragen
Quelle: ÖBIG-Transplant 2003
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